Ein Besuch in der Vergangenheit

Der 26. April 2025 war für mich ein besonderer Tag, denn ich reiste in meine Vergangenheit zu den Anfängen meiner Laufbahn als Schriftstellerin. Es war das Jahr 2005, ich lebte in Darmstadt und arbeitete als Regieassistentin am dortigen Staatstheater. Ich hatte die Stelle angenommen, um über die Regieassistenz in die Lage zu kommen, als Regisseurin zu arbeiten und vielleicht sogar selbst Stücke zu schreiben, denn schließlich schrieb ich auch zur damaligen Zeit – es war das Jahr 2002 – schon seit einigen Jahren. Dieser Job ruinierte jedoch schon am Anfang meiner angestrebten Theaterkarriere genau diese. Ich hörte nach Ablauf meines befristeten Vertrages mit dem Theater auf.  Statt um das Erzählen von Geschichten, statt um Handwerk und Inspiration fand ich dort viel zu oft Egomanen, denen es nicht um Inhalte ging, sondern nur um sich selbst. Ich wog nach knapp 2 Jahren bei einer Größe von 1,70 nur noch 46 Kilo – der Job mit seinen haarsträubenden und teilweise illegalen Bedingungen hatte mich buchstäblich aufgefressen.

Lange Zeit war das Theater für mich ein rotes Tuch, vor allem viele Erinnerungen an das Staatstheater und auch Darmstadt selbst. Trotzdem kehrte ich nach meinem Wegzug aus der Stadt jeden Monat dorthin zurück. Denn in Darmstadt hatte zwar nicht meine angestrebte Theaterlaufbahn begonnen, aber mein Leben als Schriftstellerin.

Aufnahme in die Literaturwerkstatt

Gerd-Theo Umberg, der damalige Intendant des Staatstheaters Darmstadt, schlug mir eines Tages vor, mich bei der in der Stadt ansässigen Textwerkstatt von Kurt Drawert zu bewerben. Und tatsächlich wurde ich aufgenommen. Ich war selig vor Glück. Nach zwei Jahren mussten die Teilnehmenden aber ihre Plätze räumen, sodass neue Mitglieder aufgenommen werden konnten. Ich hatte das große Glück, dass dies das Jahr 2005 war, dem Gründungsjahr der Literaturwerkstatt, ins Leben gerufen von der Lyrikerin Martina Weber. Dort fand ich wie viele andere Mitglieder aus Drawerts Textwerkstatt Aufnahme, und es begann eine Zeit, die für mich heute als Schriftstellerin von großer Wichtigkeit ist. Dort bekam ich das erste Mal Aufmerksamkeit für meine Texte, was mich schriftstellerisch weiterbrachte, vor allem aber mich als schreibenden Menschen formte zu dem, was ich heute bin.

20 Jahre ist es nun her, dass ich Martina Weber traf, die die Literaturwerkstatt in Darmstadt bis heute leitet. Und dies ist der Grund, warum ich am 26. April meine Reise nach Darmstadt antrat, denn an diesem Tag gab es eine Feier samt Lesung und Vorstellung der Anthologie Und man hört sie doch. 20 Jahre Literaturwerkstatt in Darmstadt. Die Veranstaltung fand im Moller Haus statt, dem heutigen Sitz der Literaturwerkstatt, was für mich eine ganz große Besonderheit darstellte, denn dieses Haus befindet sich nur drei Häuser von meiner damaligen Wohnung entfernt in derselben Straße und gegenüber meiner ehemaligen Arbeitsstelle, dem Staatstheater Darmstadt. An diesem Abend verband sich meine Vergangenheit mit meiner Gegenwart, und diese fühlt sich gerade ziemlich gut an. Inzwischen habe ich vier Bücher veröffentlicht, Literaturpreise gewonnen und bald erscheint mein nächster Roman. Ich habe Lesungen auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig und werde im Sommer in Meißen auf dem größten Open Air Literaturfestival Deutschlands lesen. Ich habe mir in meinem Brotjob einen guten Stand erarbeitet, und dadurch, dass ich eben diesen Brotjob habe, besitze ich die große Freiheit zu schreiben, was ich will, ohne auf die Verkaufschancen achten zu müssen, die das Manuskript hat – ich bin auf die Buchverkäufe ja nicht aus finanziellen Gründen angewiesen. Das Schreiben ist für mich pure Selbstverwirklichung.

Frieden finden durch das Loslassen

Als ich am Samstag dort stand, zwischen dem Staatstheater, dem Moller Haus sowie meiner alten Wohnung, empfand ich ein sehr schönes Gefühl. Frieden. Ich war in diesem Moment und bin im Jetzt und Hier in Frieden mit allem, was gewesen ist. Auch mit den negativen Dingen. Sie gehören zu mir wie die guten. Ich habe das alles losgelassen, ich empfinde keine negativen Gefühle gegenüber Menschen und Situationen, die mich damals so hilflos oder auch wütend zurückgelassen haben. Ich erinnere mich daran, und die ein oder andere Erinnerung findet oder fand mit Sicherheit ihren Weg in die Geschichten, die ich schreibe. Denn darum ist es mir schon immer gegangen: Dem Erzählen von Geschichten.

Hermann Hesse sagte einmal: „Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen.“

 

Einen Bloagartikel über die Entstehung der Anthologie „Und man hört sie doch. 20 Jahre Literaturwerkstatt in Darmstadt“ findet ihr hier:

„Und man hört sie doch. 20 Jahre Literaturwerkstatt in Darmstadt“. Eine Anthologie und was sie bedeutet.

 

Die Seite des hochroth Verlag Heidelberg findet ihr hier:

Martina Weber (Hg.): Und man hört sie doch. Anthologie

 

Einen Link zu einem Text, in dem ich die damalige Zeit am Staatstheater behandle, findet ihr hier:

Post-its. Ein Gastbeitrag von Iris Antonia Kogler