Autorin, Dramaturgin, Schreibcoach

Kategorie: Kurzgeschichten (Seite 1 von 2)

Lebensläufe – Kurzgeschichte

Keine Zeit oder Lust zu lesen? Kein Problem, denn dank der wunderbaren Silke Siegel könnt ihr die Kurzgeschichte „Lebensläufe“ nun hören! Schaut gerne mal auf ihrem Podcast vorbei, Silke spricht eine kunterbunte Mischung an Kurzgeschichten ein, bestimmt ist da für jeden von euch was dabei 🙂

Hier der Link zu ihrem Podcast: https://wasliestdieda.de/

Und hier geht es zur Kurzgeschichte. Viel Spaß dabei!

Frau Schuchkow erzählt

Es klopft an meiner Türe und meine alte Nachbarin will wissen, ob ich den Zettel an der Haustüre gelesen habe. „Ja“, sagte ich, „den habe ich da hingehängt, weil ich auf eine Lieferung warte und die Klingel kaputt ist.“

Eine dreiviertel Stunde später bin ich über das Leben der Frau Schuchkow informiert. Ihre Kindheit, hart aber lustig, ihre Kinder, der tote Ehemann, mit dem sie sich manchmal in der Wolle hatte und der so anders war als sie selbst, die weinerliche Schwester und der Krieg. Weiterlesen

Die Farbe Gelb

Die Kurzgeschichte „Die Farbe Gelb“ belegte beim Literaturwettbewerb „Ein Tag in NRW im Jahr 2100“ den zweiten Platz. Der Preis wurde vom WDR und dem Literaturbüro NRW mit Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft ausgelobt. Hier könnt ihr den Text lesen oder hören, ganz wie ihr wollt. Es moderiert Rainer Hagedorn, Bearbeitung Cornelia Müller, Redaktion Stefanie Laaser. Es lesen Cordula Leiße und Dominik Freiberger. Weiterlesen

Siebzehn Tage

Die Kurzgeschichte „Siebzehn Tage“ wurde 2022 mit dem dritten Preis des Moerser Literaturpreises ausgezeichnet. Das Thema lautete „Versprochen“.

 

Der Novembernebel liegt auf den Feldern des Tals. Samuel geht über den Waldweg und bleibt stehen, als er aus dem Wald heraustritt. Die Sonne erscheint gerade erst über dem Horizont, auf der oberen Lichtung glitzert der Tau auf den Grashalmen und den Blättern, die dort unter den wenigen Bäumen seit dem Herbst liegen und verwittern. Er hat noch drei Tage Zeit. Vielleicht heute, vielleicht wird es heute passieren. Spätestens in drei Tagen muss es geschehen sein, aber vielleicht hat er heute Glück. Weiterlesen

Flecks of Light

1.

He couldn’t remember, but he felt there was a name for the flecks of light that the sun cast upon the forest floor through the foliage above. These flecks of light had appeared in front of his house, but lightning had struck the oak and destroyed the old tree, wrenching it apart from within. The next day, he had taken the chainsaw and salvaged the wood. He had taken his little one into his arms and said „The tree will live on; it will be here with us on the terrace. Forever. It’ll be beautiful: you’ll see.“ Weiterlesen

Nessun dorma

Eines frühen Morgens stellte er seine Nüchternheit in den Kühlschrank. Ein letzter Rettungsversuch. Vielleicht war noch etwas davon da, wenn er zurück kam, aber erst einmal setzte er sich in sein Auto und fuhr los. Auf einem Waldparkplatz verprügelte er das Lenkrad, danach begann er zu lachen. Wie in einem Film. Regieanweisung: Lenkrad verprügeln und schreien. Weil die Sporttasche noch auf dem Rücksitz lag überlegte er, laufen zu gehen und tat es dann auch. Grob fiel der Regen in die Hitze, im Rauschen der Bäume hörte er ihr Lied, leise, doch unablässig. Weiterlesen

Lebensläufe – Kurzgeschichte

Karen öffnete die Augen. Sie sah aus dem Fenster der Straßenbahn hinaus auf die mondbeschienene Landschaft. Fahles Licht fiel auf karge Büsche. War sie so müde gewesen, dass sie auf dem Weg nach Hause eingeschlafen war? Wäre das, was hinter den Fenstern der Straßenbahn an ihr vorbei huschte, ein Gemälde, es könnte „Ödnis im Mondschein“ heißen. Häuser gab es keine, auch keine Zäune und keine Autos. Warum war es schon so dunkel? Wie spät war es? Dann ein kalter Gedanke: Warum saß sie in einer Straßenbahn, die mitten in der Nacht durch das Nichts fuhr? Weiterlesen

Lichtflecken – Kurzgeschichte

1.

Er konnte sich nicht erinnern, aber ihm war, als gäbe es einen Namen für die Lichtflecken, die die Sonne durch das Laub der Bäume auf den Waldboden legte. Er hatte diese Lichtflecken vor seinem Haus gehabt, doch der Blitz hatte in die Eiche eingeschlagen und den alten Baum zerstört, ihn von Innen zersprengt. Am nächsten Tag hatte er die Kettensäge genommen und sich das Holz geholt. Er hatte seine Kleine auf den Arm genommen und gesagt: „Der Baum wird weiter leben, hier bei uns auf der Terrasse wird er sein. Für immer. Das wird schön, du wirst sehen.“
Die Kleine hatte genickt, einen Stoffhasen am Ohr gehalten und ihm dabei zugesehen, wie er sich Stück für Stück aus dem alten Baum zurecht sägte.
Der Hase muss mal gewaschen werden, dachte er. Aber sie schafften es einfach nicht, ihr das Ding zu entlocken. Wie ein Hund und seine Decke.
Am Sonntagabend war er fertig.
„Gehen wir Mama holen.“
Die Kleine setzte den Hasen auf die Schaukel.

Für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl, er wäre wieder zurückgekehrt in sein Leben. Das hier, dieser Moment, den habe ich erlebt, hunderte Male, immer wieder, dachte er. Der Moment, in dem er sich mit seiner Frau und Tochter auf die Schaukel setzte und die Lichtflecken auf dem Boden sah.
Der Moment der Ewigkeit. Weiterlesen

Transit – Kurzgeschichte

Er betritt das Terminal an einem Nachmittag. Dünner Stoff klebt zwischen heißer Haut und blauen Plastikstühlen. Unmodern. Durch eine Glaswand hinter ihm sieht er eine Welt aus Business und Sehnsüchten. In einem Luftzug treibt eine Plastiktüte, im Nichts verortet, ins Leere greifend wie er. Die automatischen Türen öffnen sich nicht, und die Tüte bleibt an das Glas gedrückt hängen, während draußen ein Flugzeug gen Süden startet.

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