Autorin, Dramaturgin, Schreibcoach

Kategorie: Kurzgeschichten (Seite 2 von 2)

Regen – Kurzgeschichte

Der Tag war klar und kalt an diesem Morgen gegen Ende des Jahres. Ole stieg in den Transporter, einen Kipplader, und fuhr durch das Abbaugebiet in Richtung der Rampe. Anselm stand schon da und wartete. Er war ausgestiegen. Als er Ole ankommen sah, holte er seine Thermoskanne aus dem Fahrerhaus seines Transporters und schenkte seinem Kollegen ein. Ole parkte hinter Anselm, nahm den Kaffee entgegen und sagte mit seiner rauen Stimme: „Ich mag dich.“
„Wir könnten es bis morgen Nachmittag schaffen. Das Wetter ist soweit in Ordnung. Fährst du nach Osten oder Westen?“
„Ich fahre immer dir nach. Ich hänge mich an deine Rücklichter und mache ein Auge zu, damit es sich erholen kann. Mit dem anderen Auge schau ich mir das Bild von Mira an, und morgen Abend werde ich frisch geduscht und wohl duftend zu ihr ins Bett steigen.“
„Warte erst mal ab“, sagte Anselm und lachte. „Noch ist das Wetter in Ordnung, aber wer weiß, was der Tag bringen wird.

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Kastanien

Die Kurzgeschichte „Kastanien“ wurde 2017 mit dem Literaturpreis Stockstadt ausgezeichnet.

1.

Als der Alte noch mehr Worte hatte, strichen sie die Bank in einem dunklen Ton und stellten sie vor das Haus. „Die ist noch von damals“, hatte der Alte gesagt, sich darauf gesetzt, seinen Gehstock angelehnt und seine letzte Zeit begonnen. Zwei Jahre später splitterte das Rot ab und fiel in kleinen Farbblättern herunter, so wie nach und nach auch die Klarheit aus dem Gesicht des Alten fiel. Immer wieder in kleinen Stückchen, vor allem aus den Augen. Sie sahen es nie sofort, aber irgendwann fiel ihnen auf, dass wieder eine Stelle poröser, glanzloser oder leer geworden war. Noch einmal wollte seine Enkelin Kate die Bank nicht streichen, denn sie fand, das wäre unwürdig.

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Glaskörper

Er hatte gewartet, Jahr um Jahr. Es gab immer einen  Grund für jede Entscheidung, die er traf, und für jede, die er nicht traf. Erst war es die Wissenschaft, die es ihm nicht ermöglichte, später das Gesetz, das es ihm nicht erlaubte, und dann, als er es tat, weil es das Gesetz und die Wissenschaft endlich zuließen, da hörte die Welt nicht zu. Sie hörte nicht zu, weil seine Tat geheim war, und er sprach nie darüber, weil er das Geheimnis schützen wollte vor eben jener Welt, die von nichts wusste. Dann, nach fünfzehn Jahren, gab es eine Änderung.

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