Die Umkehrung der Ungerechtigkeit
Diese Woche habe ich den 2022 mit der Goldenen Palme prämierten Film Triangle of Sadness angeschaut (Amazon) und muss sagen, ich habe selten einen so bitterbösen, so gesellschaftskritischen und gleichzeitig so witzigen Film gesehen – wobei einem das Lachen hier teilweise wirklich im Halse stecken bleibt.
Wir sitzen alle in der gleichen Luxusyacht – bis das Schiff sinkt.
Ein junges Influencer-Paar macht eine Reise auf einem Luxusschiff, ohne dafür bezahlen zu müssen, denn sie machen über ihre Social-Media-Kanäle Werbung für das Unternehmen. Da wird dann schon mal ein großer Teller Spaghetti geordert und kunstvoll und dennoch oberflächlich in Szene gesetzt, Hauptsache, die Follower identifizieren sich mit dem perfekten Model, schließlich orgelt auch sie sich scheinbar einen Teller Nudeln hemmungslos ins nicht vorhandene Bäuchlein. Hach wie schön, auch die Reichen und Schönen haben Heißhunger Attacken! Von der Tatsache, dass der ansonsten unangetastete Teller in den Müll wandert, ohne dass auch nur eine einzige Nudel davon gegessen wurde, interessiert hier nur den russischen Milliardär, der zufällig am gleichen Tisch sitzt und die Szene beobachtet. Der prahlt dann auch gleich damit, mit Scheiße reich geworden zu sein, was nicht nur im übertragenen Sinn der Instagram Welt gemeint, sondern ganz ernst ist, weil er Dünger verkauft. Während er sich durch die Tage an Bord langweilt, will seine volltrunkene Ehefrau (dargestellt von Sunnyi Melles) nicht hinnehmen, dass nur sie Spaß an Bord haben soll. Ihr Opfer ist eine Kellnerin, die sie zwingt, in den Pool zu steigen, statt zu arbeiten. Und weil das Leben doch so ungerecht ist und weil sich die gute Frau zu Tode langweilt und kaum mehr teurer Champagner in sie hineinpasst, zwingt sie gleich die ganze Crew zu einem Badespaß – wobei die Crew über die Rettungsrutsche ins Meer rauscht. Rette sich, wer kann vor der Milliardärsgattin, die sich jeden Spaß der Welt erkaufen kann (zumindest für sie und nicht für die Crew) und dies als Wohltätigkeit an den ungerecht behandelten dieser Welt deklariert.
Das britische Ehepaar, das mit Handgranaten reich geworden ist, hält sich nobel zurück und fabuliert über seinen Reichtum mit vollem Mund beim Essen von Austern, während das Schiff immer mehr in einen Sturm gerät. Aber wen interessiert das schon beim Captains Dinner, schließlich ist der Sturm vor den Schiffsfenstern, während drinnen der Luxus gelebt wird, als gäbe es kein Morgen. Doch all der Reichtum liegt bei dem hohen Seegang dann doch irgendwann schwer im Magen, denn der Sturm macht auch vor diesem Luxusschiff nicht halt, und so kann die vorwiegend asiatische Belegschaft, die prinzipiell unsichtbar bleibt, weil nur dann geputzt wird, wenn niemand hinsieht, die Kotze und Scheiße kaum wegwischen, die ihnen die Reichen während des Sturms vor die Füße schüttet. Für die Reichen und Schönen dieser Welt bringt der Sturm das Dinner durcheinander, während die Armen das tun, was sie immer tun: Arbeiten für die da oben.
Als das Schiff von Piraten angegriffen wird, stranden einige Überlebende auf einer Insel, wo der Milliardär dem schwarzen Maschinisten misstraut, weil er ihn vorher auf dem Schiff noch nie gesehen hat. Wie auch, er ist Maschinist, er treibt das Schiff für die oberen Zehntausend an, ohne dass diese es bemerken.
Auf der Insel ist es dann die Putzfrau Abigail, die plötzlich an der Spitze der übriggebliebenen Gesellschaft steht, denn sie ist die Einzige, die Jagen und Feuer machen kann. So dreht sich sie übrig gebliebene Gesellschaft von unten nach oben, da Abigail sich auch nicht mit Rolex Uhren ködern lässt.
Triangel of Sadness ist ein verdammt böser Film über die Oberflächlichkeit, die man nur mit viel Geld erreichen und in der man nur dann scheinbar glücklich leben kann, wenn man der absoluten Überzeugung ist, dass das Leben tatsächlich nicht gerecht, dies aber prinzipiell scheißegal ist.
Interessant an diesem Film fand ich persönlich, dass es kaum Figur gab, mit denen ich mich selbst identifizieren konnte. So blieb ich als Zuschauerin distanziert zum Inhalt des Filmes, was in diesem Fall aber gut war. Dieser Film ist ein Spiegel, der keine einzelnen Menschen portraitiert, sondern und das Antlitz der Gesellschaft zeigt. Schön ist das nicht, aber sehenswert.
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