Autorin, Dramaturgin, Schreibcoach

Heute zu Gast: Maria Jürgensen

 

Heute möchte ich euch Maria Jürgensen vorstellen, eine Frau, die künstlerisch eine ziemlich große Bandbreite hinlegt. Kennengelernt habe ich sie, als sie eine Premierenlesung der Schriftstellerin Stefanie Hohn mit ihrem Gesang begleitet hat. Nachdem wir uns in den sozialen Netzwerken befreundet hatten bemerkte ich, dass Maria auch malt, collagiert, fotografiert, Buchrezensionen schreibt und einen Blog betreibt. Sie ist also eine Person, die auf vielen Ebenen künstlerisch unterwegs ist und sich auch permanent mit anderen Künstlern beschäftigt. Regelmäßig kann man ihre Arbeiten im Raum Düsseldorf sehen. Ich möchte versuchen, Maria in ihrer Vielfältigkeit hier vorzustellen.

Du bist vielseitig unterwegs, Maria. Würdest du sagen, dass du einen künstlerischen Schwerpunkt hast? Der ändert sich gelegentlich. Eine recht lange Zeit lang war es das Schreiben und der Gesang. Von 2005 bis 2013 habe ich für das Magazin „Einseitig.info“ geschrieben. Gegründet wurde das Magazin von den Autoren Matthias Bickenback und Michael Stolzke. Mit von der Partie waren u.a. der Gastrosoph Nicolai Wojtko, die Autorin Julia Trompeter, der Journalist Peer Zickgraf, die Journalistin und Autorin Christina Borkenhagen, Dirk (Anm.: Marias Ehemann Dirk) und ich und viele andere mehr. Wir brachten gemeinsam Bücher heraus, waren Organisatoren des „Joseph-Heinrich-Colbin-Preises“ und gründeten das Netzwerk freier Kulturjournalisten. Viele der im Magazin und diversen Büchern veröffentlichten Texte unterschiedlicher Genres von Dirk und mir finden sich im „Vergoldeten Zeitalter“ wieder und wurden durch neue ergänzt. Es existiert noch einiges an Material, das wir bislang nicht veröffentlicht haben.

In der Zeit des Magazins habe ich bereits gemalt, das tue ich seit meinem sechzehnten Lebensjahr. Ich hatte allerdings damals nur eine Ausstellung, in einem wunderschönen, alten Gebäude in Grevenbroich-Hülchrath, das heute bedauerlicherweise nicht mehr für Veranstaltungen genutzt werden kann. Das war wirklich schön – in der Nähe des alten Schlosses, neben der zentral liegenden Kirche – ausgestattet mit einem großen, hellen, lichten Saal.  Dirk brachte eine Fotografie-Serie mit, ich meine Bilder. Viele Jahre später, 2017 nämlich, waren wir dort zu viert nochmal und haben eines unserer Programme performt. So ging es nämlich weiter. Ich bin mit Chansons und Texten, gemeinsam mit meinem Mann Dirk, der nicht nur fotografiert, sondern ebenfalls schreibt und einem Freund, dem Slammer und Autor Michael Schumacher und in Hülchrath auch mit dem Pianisten Detlef Burket auf die Bühne gegangen. Wir drei Autoren arbeiteten mit zwei Programmen, die die Titel „Menschenskind“ und „Büdchengeschichten“ trugen. Wir sind drei sehr unterschiedliche Autoren, die ihre Gemeinsamkeit in Texten über Menschen fanden.

Texte selber zu machen, war früh ein Bedürfnis. Ich bin auf einem Dorf groß geworden und Lesen machte damals die Welt weit. Plötzlich gab es da mehr als nur den Mikrokosmos zwischen Wiesen und Wäldern. Ich habe dann irgendwann begonnen, zu imitieren. Das, was ich las, zu variieren. 1982 bin ich Buchhändlerin geworden, habe anschließend Germanistik, Englisch und Niederländisch studiert und im Verlag gearbeitet. Heute ist mein Brot die Werbung – weit weg vom Ursprung. Aber immer noch textlastig.

Die Liebe zur Musik ist ebenfalls alt. In Kindertagen habe ich Flöten- und Klavierunterricht genommen, habe aber schnell festgestellt, dass die Stimme mir den meisten Spielraum bietet, ich mich beim Singen frei fühle und den größten Interpretationsspielraum habe. Singen ist körperlich, kraftvoll, anstrengend, powert mich aus. Auf dem Dorf gab es mehrere Chöre, in denen ich zunächst gesungen habe. Mein erstes Solo war geistliche Musik, nämlich „Maria durch einen Dornwald ging“ – was war ich nervös! Aber damals auch erst zwölf oder dreizehn Jahre alt. Und dabei hat man mich im Publikum nicht mal gesehen, weil ich auf der Empore der Orgel stand! Meist verschwand damals meine Stimme in der Masse. Ich saß im Sopran, nicht die richtige Stimmlage, denn meine Stärke sind eher die rauen, tiefen Töne. In meinen Dreißigern habe ich dann Gesangsunterricht bei Marion Berg in Köln genommen, die dann irgendwann nach Berlin ging. Da hatte sie mir aber schon jede Menge mitgegeben, unter anderem, dass Chanson auf meinen Gesang passt, wie Faust aufs Auge. Von da an war das mein Schwerpunkt. Ich habe sehr viel Weill gesungen, Jazz-Stücke, Lousianne, Holländer und vieles mehr. Ich hätte zu gern das Video von einem damals stattgefundenen Auftritt, der wie eine Offenbarung für mich war. Das Publikum war super, das war genau das, was ich wollte, die Verbindung, den Kontakt. Das war, als würde ein Faden zwischen mich und die Zuhörer gespannt, das konnte man fast greifen!

Auf unserer Website „Das vergoldete Zeitalter“ steht ein Zitat von mir: „Schreiben, das ist die Verknüpfung des eigenen Lebens mit dem Leben der Anderen. Manchmal ist es wie Steinchenwerfen an einem See. Der Stein hüpft übers Wasser, schlägt Wellen, versinkt und wird Teil des Ganzen, ohne sich vollständig aufzulösen.“ Es geht um Verbindung, um das Einswerden, ohne dass man sich selbst verliert.

Das gilt für das Malen und das Singen genauso, überhaupt für Kunst. Ich habe eine Zeitlang sehr intensiv fotografiert, vornehmlich Porträts gemacht. Dirk und ich haben uns für solche Porträts einen ganzen Tag Zeit genommen, sind mit den Leuten zu unterschiedlichen Locations gefahren. Es war uns wichtig, den Wohlfühlmoment zu erwischen, den Moment, wo die Leute plötzlich locker werden, sie selbst sind. Das hat immer geklappt. Sowas liebe ich!

Als ich dann während einer lang andauernden Krankheit wieder zum Malen zurückfand, rückte das Schreiben und Singen wieder etwas mehr in den Hintergrund. Oder sagen wir – es verlagerte sich nach innen. Ich schreibe und singe heute noch viel, aber sehr viel mehr für mich selbst. Obwohl genau in dieser Zeit der Band „The Lightness of Being and the Heaviness of Spirit“ mit Texten und Skizzen von mir entstanden ist. Das Malen ist damals allerdings sehr viel wichtiger geworden. Es hat inzwischen schon fast etwas existentielles. Wenn mir alles zu viel wird, der Körper nicht will, der Alltag drückt, aber auch, wenn es mir besonders gut geht, dann ist Malen wie eine Insel, auf die ich mich zurückziehen kann, genießen kann, loslassen. Ich betreibe es ziemlich exzessiv. Ganz zentral sind meine Skizzenbücher, in denen alles darf und kann und nichts muss. Die habe ich oft mit einem Set Bleistifte, Anspitzer und Radiergummi in der Tasche, sozusagen als Rettungs-Equipment.

Du liest sehr viel, besuchst viele Ausstellungen und bist sehr audiophil. Wie sehr fließen deine Eindrücke von anderen Arbeiten, seien es nun welche im Bereich Malerei, Musik oder Literatur, in deine eigenen Arbeiten ein?

Wo kann man in der Auseinandersetzung mit von Menschen geschaffenen Dingen ohne Einfluss sein? Ich nenne es Kommunikation. Kunstwerke sind Wahrnehmung und Ausdruck. Beim Betrachten werde ich angesprochen. Ich trete als Sender oder Empfänger in Beziehung. Eine Leerstelle wird gefüllt, meine eigenen Erinnerungen und Imaginationen werden ergänzt und setzen einen Prozess in Gang. Viel passiert dabei auf der unbewussten Ebene.

Die angewandte Technik ist nicht minder spannend, keine Frage. Je mehr ich male, je mehr sehe ich die Hand, die einen Pinsel oder Stift geführt hat, eine Form geschaffen, die Art und Weise, wie ein Kunstwerk entstanden ist. Ich bin ein großer Fan von Schiele, mag die Transparenz seiner Arbeiten, die manchmal sehr unförmigen Körper, die Reduziertheit. Meine Arbeiten sind völlig anders, aber in meinen Skizzenbüchern zitiere ich auch. Heißt, ich nehme mir ein Bild als Vorlage und versuche es selbst. Manchmal gelingt eine große Ähnlichkeit, manchmal entsteht dabei etwas völlig Eigenes. Oft ist Schiele eine Inspiration oder die Dänen, Anna Ancher zum Beispiel. Inspiriert bin ich aber auch von Gegenwartskünstlern, die nicht in Museen hängen und ihre Werke auf Instagram zeigen. Wenn mir da etwas gefällt, speichere ich, schaue mir die Bilder genau an. Zweifellos bleibt da was hängen.

Ob Literatur oder Musik mein Malen beeinflussen? Mhm. Literatur und Musik beeinflussen mich. Also – ja – sicher auch das Malen.  Das bin ja ich. Wie gesagt – ganz zentral ist die Verbindung, der Mensch – ich male fast ausschließlich Porträts, Menschen – das ist das Spannendste überhaupt.

Dein Mann, Dirk Jürgensen, ist Fotograf. Wie sehr bedingen sich deine und seine Arbeiten gegenseitig?

Wir sind voneinander unabhängige Künstler und agieren entsprechend. Kommunikation ist das zentrale Stichwort. Wir betreiben die Website gemeinsam. Wir gestalten gemeinsam Ausstellungen, haben gemeinsam auf der Bühne gestanden, haben fotografisch gemeinsam Projekte gestaltet – die Porträtserien zum Beispiel. Wir haben gemeinsam für das Magazin geschrieben – jeder seine eigenen Texte. Und wir teilen eine Menge Interessen, sind beide sehr kunstaffin, musikbegeistert und beide sehr interessiert an Literatur. Es gibt Impulse, Gespräche, Austausch und das liebe ich sehr.

Wir sind seit unserem ersten Zusammentreffen bei Stefanie Hohns Lesung zu ihrem Buch „Die Magie der Farben“ auf Facebook befreundet, wo du deine Arbeiten regelmäßig zeigst. Das Niveau und die Qualität deiner Arbeiten haben sich in all der Zeit so gesteigert, dass du inzwischen deine Arbeiten auch verkaufst. Seit wann malst und collagierst du überhaupt?

Dass ich mehr als nur einen Wasserfarbkasten zur Hand genommen habe und etwas ernsthafter an die Sache herangegangen bin, hat ungefähr mit meinem 16. Lebensjahr begonnen. Meine Großmutter war Malerin und hat zwar nicht nach meinem Geschmack, aber sehr intensiv in Öl gemalt. Es machte mir Freude. Zwischen meinen Malphasen gab es große Pausen, Zeiten, in denen gar nichts passiert ist. Dass sich das Niveau der Arbeiten verändert hat, liegt nicht zuletzt daran, dass ich noch nie so intensiv und viel gemalt habe, wie gerade jetzt. Ich bin Autodidaktin, habe nie einen Kurs besucht, mir alles selbst beigebracht und viele Techniken ausprobiert. Da bleibe ich neugierig. Immer. Der Verkauf der Arbeiten steht noch heute nicht im Zentrum meines Tuns. Sie zu zeigen ist mir wichtig, weil es, wie schon erwähnt, eine Art des Ausdrucks, der Kommunikation ist. Es ist ja nun eher der Fall, dass man zwar eine Ausstellung hat oder initiiert, aber trotzdem kein einziges Bild verkauft. Es gibt sehr viele BesucherInnen, für die ist das Anschauen wie ein Museumsbesuch. Schauen, genießen, gut ist. Es fließt kein Geld, obschon sehr viele die Bilder mögen, sie toll finden. Ein Traum, wenn sich beides mal irgendwann realisieren ließe. Aber da bin ich genügsam. Ein Luxus, wenn man nicht davon leben muss und sowas „just for fun“ tun darf. Das hat seine Vorteile. Ich muss keine Geschmäcker bedienen, keine Abnehmer finden. Ich kann tun, was ich tun will.

Hast du ein Ziel, das du mit deinen Arbeiten erreichen willst, zum Beispiel eine eigene Ausstellung? Oder sind deine Arbeiten eher ein Ausdruck, eine Verarbeitung dessen, was dich beschäftigt, ohne dass du damit eine bestimmte Richtung verfolgst.

Ich zeige meine Arbeiten aus den genannten Gründen gern. Sie sind Ausdruck, Mittel zum Zweck, ein Teil meines Lebens, etwas, das mir Halt und Sinn gibt. Kunst zu machen, macht mich ganz. Ohne sie würde etwas ganz Wichtiges fehlen. Sie erfüllt mich, ist sicher auch Teil von Verarbeitungsprozessen, wenn mich etwas bewegt. Sei es das, was uns in diesen schwierigen Zeiten alle umtreibt, sei es die Pandemie, meine eigene Krankheit, mein Alltag. Sie ist meine Art und Weise, nach außen zu treten, zu sein, wer ich bin. Sichtbar zu sein.

Immer wieder mal treffe ich dich hier in Düsseldorf bei diversen Veranstaltungen. Nicht nur dich, sondern auch andere bekannte Gesichter, die in der Kunstszene unterwegs sind. Wie wichtig ist es dir, Teil eines Netzwerkes zu sein?

Ich genieße das. Viele sind genauso gestrickt wie ich. Sie liefern Impulse, man sieht, was sie „sagen“ und denken und fühlen. Ich fühle mich dort sehr frei. Außerdem erfüllt es innerlich, in manchmal sehr geballter Form auf Menschen zu treffen, die ganz genau wissen, wie sich das anfühlt, Kunst zu machen. Manches ist ziemlich schräg und ohne Zweifel ist unsere Spezies sehr exotisch. Da bin ich durchaus selbstironisch und weiß um dieses sehr spezielle Darstellungsbedürfnis, das manchmal alles andere als bescheiden daherkommt. Bei den Kunstpunkten die Runde durch die Ateliers zu machen, sich an Küchentische zu setzen und zu lauschen, zu diskutieren und manchmal auch den Kopf zu schütteln, ist für mich eine große, herrliche Freude. Ich liebe diese Menschen, ihr Engagement, ihr über den Tellerrand schauen, dass man dann andere Gespräche führen kann, als sie im Alltag üblich sind.

Wann kann man dich und deine Arbeiten in der nächsten Zeit sehen?

Im nächsten Jahr sind wir sicher wieder bei Art in the Park im Volksgarten und wahrscheinlich auch wieder bei Kunst ab Werk auf dem Areal Böhler dabei. Auch die Kunsttage in Ditzum sind nach wie vor auf dem Kalender. Man kann mich gerne in Bilk besuchen, um meine Bilder zu sehen. Einfach über den Blog anschreiben und wir machen einen Termin. Und ansonsten bin ich auf Instagram unter mariejuergensen zu finden.

Link zum Blog:

https://dasvergoldetezeitalter.de/maria-juergensen-texte/

 

5 Kommentare

  1. Mechthilde Vahsen

    So spannend, das Interview. Und ich kenne Detlef Burket, wir haben zusammen Abi gemacht. Im Musik-Kurs durfte er ans Klavier und hat für uns gespielt. Zu gern wäre ich bei einem eurer Auftritte mal gewesen. Danke für die Anregungen im Interview

  2. Maria Jürgensen

    Ach, guck. Wieder mal kreuzen sich Wege! Mecki, es wäre in der Tat schön gewesen, wenn Du mal dabei gewesen wärst. Ich kenne Detlef über meinen Daddy. 🙂

  3. Anja Heling

    so schön, dies alles zu lesen.
    Ich erinnere mich an Dein sechzehnjähriges Ich. Du bemaltest Tontöpfe und ich kriegte den Mund nicht mehr zu. So viel passiert seither und Deine Werke erkenn ich immer sofort.
    Sehr schöne Fragen auch von Ihnen, Iris Antonia.
    Liebe Grüße

    • admin

      Vielen Dank 🙂

      • Maria Jürgensen

        Ach Anja, damals…. ich hätte mir nie ausmalen können, wie ich wohl mit 60 wäre. Ob ich dann noch malte und dass Oma Thea mit ihren Ölfarben und ihrem Klavier ihre Spuren hinterlassen hatten oder auch mein Vater mit seinen Zeichnungen, so technisch der Schwerpunkt auch war oder Robert mit der Bildhauerei oder Karl Kuhl beim Schreiben…. was halt Leben so mit einem macht…. 🙂 Drück‘ Dich

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