Letztes Jahr habe ich all meine übriggebliebenen Stofftiere verschenkt, die jahrzehntelang bei meinen Eltern in einem Schrank lagen. Diese liebenswerten Gefährten, die mich durch meine Kindheit begleitet haben, hatten ihre Zeit mit mir längst hinter sich. Anstatt jedoch weiterhin ein unbeachtetes Dasein in einem dunklen Schrank zu fristen, erfreuen sie nun Kinderherzen, denn ich habe sie einer Klinik gespendet, in der todkranke Kinder behandelt werden. Indem ich sie losgelassen habe, habe ich ihnen wieder ihren Sinn zurückgegeben.
Auch meinen Kleiderschrank habe ich entrümpelt – und das gnadenlos. Es gibt nun kein einziges Kleidungsstück mehr, das ich nicht regelmäßig trage oder das mir nicht wirklich Freude bereitet.
Ein ähnlicher Prozess spielte sich in meinem Bücherregal ab. Über die letzten zwei Jahre habe ich den Inhalt fast um ein Drittel verkleinert. Das Loslassen von Büchern fiel mir erstaunlich leicht. Jedes Buch, an dessen Inhalt ich mich nicht erinnern konnte, flog raus. Übrig geblieben sind die Exemplare, die mich berührt haben oder die mich an eine Episode aus meinem Leben oder an einen Menschen erinnern.
Das Loslassen dieser Dinge hat Platz geschaffen – nicht nur im Schrank und Regal, sondern auch in mir.
Auch als Schriftstellerin ist das Loslassen ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Jedes Mal, wenn ich ein Buch zur Veröffentlichung freigebe, lasse ich etwas los, das ein Teil von mir geworden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Geschichte und ich teilweise Jahre miteinander verbracht – ein nicht immer einfaches Verhältnis, in dem wir manches Mal auch Kämpfe miteinander ausgetragen haben. Das Loslassen hat auch hier einen befreienden Charakter, denn eine Geschichte, die erzählt werden will, besetzt einen innerlich. Sie lässt einen nicht mehr in Ruhe, bis sie geschrieben wurde. Doch anders als bei den Stofftieren, den Kleidern oder den Büchern, kann ich eine Geschichte nicht einfach in gute, liebevolle Hände abgeben. Geschichten bedeuten Arbeit. Sie sind das Ergebnis von Stunden, Tagen, Monaten und manchmal sogar Jahren, in denen ich ihnen einen Raum in meiner Seele, in meinem Herzen und in meinem Leben gegeben habe.
Wenn ich eine Geschichte durch die Veröffentlichung loslasse, ist es, als ob ich wieder Platz schaffe – im Regal, im Schrank, in der Seele und im Herzen. Es ist ein befreiendes Gefühl, das den Weg für Neues ebnet. Doch dieser Platz bleibt nicht lange leer. Schon bald drängt sich die nächste Geschichte auf, die geschrieben werden will, die erneut Raum fordert und mich einnimmt. Und so beginnt der immerwährende Kreislauf aus Annehmen, Verweilen und Loslassen von Neuem.
Loslassen bedeutet, Raum zu schaffen für das, was wirklich zählt. Es bedeutet, sich für die Möglichkeiten zu öffnen, die vor uns liegen. Und manchmal bedeutet es auch, Dingen, die wir einst festgehalten haben, eine neue Bedeutung zu geben und ihnen die Chance zu schenken, anderen Freude zu bereiten. Als Schriftstellerin bedeutet es, die Geschichten, die ich erzählt habe, hinaus in die Welt zu entlassen, damit sie ihren eigenen Weg finden können.
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